Ein Bangen vor der Reise – Dauerregen und steigende Flusspegel im Osten. Dann die Entwarnung aus Bautzen und Görlitz, und es regnete nicht mehr.

So konnten wir am 18.09.2024 bei herrlichem Wetter den Bus in Lengenfeld besteigen und mit guter Laune die Reise beginnen. Auf der Autobahn  bei Hartenstein fühlten wir uns wie über den Wolken – in den Tälern lag dichter Nebel – wir fuhren in der Sonne.

Pünktlich angekommen in Bautzen, der Stadt der Sorben, wo man deutsch und sorbisch spricht und schreibt, ging es mit „1000 Schritten durch 1000 Jahre“. In der Stadt, die 1002 erstmals erwähnt wurde,  ist Geschichte überall erlebbar.

Unser Weg führte uns durch malerische Gassen, vorbei an schmucken Patrizierhäusern,

historischen Stadtbefestigungen und geschichtsträchtigen Türmen (17 an der Zahl),

und wir warfen einen Blick in den Dom St. Petri. Diese Kirche wird seit 1524 von Menschen evangelischen und katholischen Glaubens – getrennt durch das Lettnergitter – genutzt. Der spätgotische Bau steht auf der höchsten Stelle in Bautzen und gilt als die älteste und größte Simultankirche in Deutschland.

Weiter ging’s zur Ortenburg, dem sorbischen Museum, der Alten Wasserkunst und  der Michaeliskirche. Beim Mittagessen im „Alten Bierhof“ genossen wir den herrlichem Blick auf die Spree.

Am Nachmittag bezogen wir unser Hotel „Tuchmacher“ in Görlitz – ein sehr anspruchsvolles und schönes Hotel mitten im Zentrum. Einige von uns hatten Zimmer mit reich bemalten barocken Holzdecken.

Der Donnerstag brachte uns eine Führung durch die Altstadt, die mit 4000 Baudenkmälern als größtes Flächendenkmal Deutschlands bezeichnet wird. Görlitz liegt an der alten Handelsstraße Via Regia, davon zeugen heute noch die Hallenhäuser mit ihren imposanten Kreuzgewölben, die sich über die gesamte Breite der Eingangshallen erstrecken. Sie boten ganzen Pferdefuhrwerken Platz. Hier stapelten die Kaufleute einst ihr Tuch. Übrigens sind die von uns geglaubten Sitznischen in den Portalen Prellböcke für die Fuhrwerke.

Baumeister Wendel Roskopf (1485 – 1549) steht in der Stadt für das erste und älteste Renaissancehaus von 1526 – heute das schlesische Museum, für die Rathaustreppe, für den Archivflügel des Rathauses, das Schlingrippengewölbe in unserem Hotel u. v. m. Ihm soll um 1525 die Einführung des Renaissancestils in Görlitz zu verdanken sein.

Weiter besuchten wir die Oberlausitzer Bibliothek der Wissenschaften. Mit 150.000 Bänden ist sie die größte zwischen Dresden und Breslau. Wir bewunderten eine Hausfront mit Szenen aus dem Alten Testament und vieles, vieles mehr.

Um 12.00 Uhr begann das Orgelanspiel  in der Peterskirche. Die „Sonnenorgel“  wurde ursprünglich 1703 von Eugenio Casparini erbaut und mehrfach (letztlich 1997) erneuert. Der Prospekt enthält 17 Elemente, in denen gleich lange Pfeifen strahlenförmig um goldene Sonnengesichter angeordnet sind. In zwölf der Elemente erklingen Töne in 12facher Pedalmixtur. Wir bekamen alle Facetten des Orgelklangs zu hören, sogar die Stimmen von Nachtigall und Kuckuck.

Am Nachmittag war ein Besuch in Zgorzelec geplant. Die Route führte an der Alten Wassermühle, dem in der Mitte der Neiße liegenden letzten Restaurant vor der Grenze und am Jacob-Böhme-Haus vorbei. Böhme lebte von 1599-1610 hier und wird als der erste deutsche Philosoph bezeichnet. Weiter ging es zur Ruhmeshalle oder Oberlausitzer Gedenkhalle, eröffnet 1902 von Kaiser Wilhelm II. 1950 wurde hier das Görlitzer Abkommen über den Verlauf der deutsch-polnischen Grenze unterzeichnet. Heute ist es Kulturhaus und seit 2000 halten die Räte von Görlitz und Zgorzelec gemeinsame Ratssitzungen ab.

Am Abend besuchten wir individuell historische Gaststätten. Da konnte es schon mal zwei Stockwerke tief in den Keller gehen.

Am letzten Tag fuhren wir mit unserem Reiseführer an Bord nach Zittau. Ziel war zunächst das Museum „Kirche zum Heiligen Kreuz“. Es birgt das Große Zittauer Fastentuch. 1472 erschaffen, 6,80 m breit und 8,20 m hoch, wurde das Tuch in Einzelstücken bemalt und dann zusammengenäht. Es zeigt in 90 Bildern Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Solche Tücher verhüllten zur Fastenzeit in den Kirchen die Chorräume, insbesondere das Kruzifix.

Auf einem geschichtlichen Stadtbummel erfuhren wir, dass Zittau am 23.07.1757 im Siebenjährigen Krieg von österreichischen Truppen mit glühenden Kugeln beschossen und zu 75 % zerstört wurde. Im Bewusstsein der Menschen ist diese Zerstörung so präsent wie die von 1945 in Dresden.

Unsere Reise ging weiter ins Zittauer Gebirge, vorbei an der Kloster- und Burgruine Oybin zu einem herrlichen Ausblick ins Böhmische und dann über das Naturdenkmal  Kelchsteine zum Gasthaus „Weißer Stein“, einem von vielen wunderschönen Umgebindehäusern.

Die letzte Station war die Herrnhuter Brüdergemeine, seit Juli 2024 Unesco-Weltkulturerbe. Der Theologe Graf von Zinzendorf nahm 1727 Glaubensflüchtlinge aus Böhmen hier auf. Bekannt ist die angeschlossene Werkstatt durch die Herrnhuter Sterne (25 Zacken, 17 vierseitige und acht dreiseitige – das lernten wir), aber leider war kein Besuchstermin in der Werkstatt für uns frei. Immerhin konnten wir den Kirchensaal und den Friedhof besichtigen. Die Philosophie der Gemeine beruht auf Gleichheit und Einfachheit.

Den Kopf voller beeindruckender Erlebnisse ging es an die Heimfahrt. Alle sind wieder gesund und wohlbehalten zu Hause angekommen.

 

Vielen Dank an unsere disziplinierten Reiseteilnehmer und an die, die kurzfristig für freigewordene Plätze eingesprungen sind.

 

Christina und Erich Riedel